«Panem et circenses» - Wenn Brot und Spiele für politische Zwecke genutzt werden
Wer heute noch behauptet, dass Sport nichts mit Politik zu tun hat oder umgekehrt, irrt sich meiner Meinung nach gewaltig. In Krisensituationen sind Sport und Kultur wichtige Sprachrohre und können Menschen berühren und ansprechen. Ein paar von diesen Exempeln konnten wir in den letzten Tagen gerade im Ski- und Tenniszirkus miterleben - einige von Ihnen gar hautnah… Liebe Leserinnen und Leser, ich habe mich ferngehalten und bin froh darüber, obschon die beiden Skirennveranstaltungen im Oberland sonst immer fix in meiner Agenda stehen.
Schon im alten Rom haben die Kaiser ihr schnell wachsendes und von Armut gebeuteltes Volk mit Getreidespenden und Spielen bei Laune gehalten.
Wie der gefeite Satiriker Juvenal erkannte, war dies nichts anderes als ein politisches Mittel, um die Machtsicherung zu zementieren. So konnte aber auch von inneren und äusseren Missständen geschickt abgelenkt werden. Wagenrennen und Gladiatorenkämpfe waren in der Antike bei der Bevölkerung äusserst beliebt und die Sportler wurden verehrt und zelebriert. In schwierigen Zeiten waren die Helden Balsam für die Seele und haben Mut verbreitet. Ein Schelm wer denkt, dass es da gar ein paar Parallelen in der aktuellen Zeit gibt? Die futuristischen Gladiatoren, selber zu äusserster Vorsicht angehalten, brachten durch ihre äusserst starken Leistungen die berstend vollen Tribünen und Zuschauerplätze zum Vibrieren und das Publikum zum Toben; die Emotionen nahmen ungebremst ihren Verlauf. Und die Welt schaut zu. Solche Botschaften durch den Äther zu jagen war politisch wenig sensibel und die weltweiten Reaktionen über die helvetischen Gleichgültigkeitszustände kamen sofort. Die Regierung hat mit dem Einverständnis zur Durchführung eines Grossevents mit geringen Coronaschutzmassnahen mindestens einen Teil des Volkes gefüttert - panem et circenses. Aber den Sportlern selber war es nicht immer wohl in ihrer Haut.
Auf der Südhalbkugel hat der Sport die Politik ebenfalls beschäftigt. Ihnen ist sicher nicht entgangen, dass Novak Djokovic des Landes verwiesen worden ist und nicht an den Australian Open teilnehmen kann. Sein Verhalten wird seine Tenniskarriere verändern. Die Turnierleitung wollte die Top Besetzung am ersten Grand Slam Turnier der Saison sicherstellen. Schliesslich sollten Sponsoren und Tennisfans befriedigt werden. So suchte man nach Lösungen für die Einreise von Djokovic, obschon der Impfgegner ein äusserst undurchsichtiges Verhalten betreffend seines Covid-19-Teststatus zeigte. Jeder andere Mensch hätte gar nicht erst einreisen können. Wenig erstaunlich war die Reaktion der tasmanischen Senatorin gegenüber dem Einwanderungsminister: «Alex Hawke, treffen Sie eine Entscheidung! Wenn Sie nicht in der Lage sind, eine Entscheidung über Novak Djokovic zu treffen, wie wollt ihr das Land regieren? Das ist ein heilloses Durcheinander. Ganz zu schweigen davon, wie wir dadurch vor dem Rest der Welt dastehen. Das ist absolut schockierend». Die Australian Open werden von politischem Machtgehabe überdeckt und der wahre Sport rückt aktuell in den Hintergrund. Ähnlich betrübt müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass in Kürze die Olympischen Spiele in Peking durchgepeitscht werden - ohne Rücksicht auf Verluste im eigenen Land. Der Megaevent ist «too big to fall». Ob es hier noch um Sport geht, können sie selber beurteilen. Jedenfalls scheinen Wirtschaft und Politik einen strammen Kurs vorzugeben. Als letzte Zero-Covid-Bastion der Welt will die Volksrepublik China der Welt zeigen, wie viel besser sie mit der Pandemie umgeht und so auch ihre wirtschaftliche Macht manifestieren. Die Olympischen Spiele bieten die Gelegenheit dazu.
Sport und Politik funktionieren längst zusammen und sind abhängig voneinander.
Das ist auch der Grund, wieso öffentliche Personen wie beispielsweise Roger Federer oder Megan Rapinoe mit Statements unglaublich viel bewirken können oder könnten.
Mit ihrem Bekanntheitsgrad hat alles was sie tun Bedeutung und zwar weit über den Sport hinaus. Genau dieser Sachverhalt kann aber auch missbraucht werden und das darf nicht geschehen auch um des Sportes Willen. Regierungen dürfen den Sport nicht willentlich missbrauchen, um ihre Machtambitionen zu festigen und auch nicht, um Menschen zu manipulieren. Sport soll Emotionen übertragen und Menschen erfreuen aber es wäre wünschenswert, wenn dies weniger berechnend geschehen würde. Der Sport kann Botschaften aussenden und begeistern, er kann aber nicht alles richten; denn auch er ist lediglich Abbild der Gesellschaft mit all seinen positiven und negativen Seiten.