Sport und Moral: Wenn das Öl das Sagen hat

In der hellenischen Hitze, wo sich einst der Ursprung der antiken Olympischen Spiele ereignete, treibt sich Sport etwas lauer als in unseren Breitengraden in der Schweiz. Das frühmorgendliche Laufen gleicht einem wenig eleganten Schlurfen und ist trotzdem anstrengend und schweisstreibend. Passend zur sommerlichen Hitze lese ich, dass Katar sich ernsthaft als Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 2036 in Position bringt. Der Gedanke daran, dass unsere Athletinnen und Athleten des arabischen Wüstenstaates in einer schier unerträglichen Gluthitze Topleistungen erbringen sollten, hinterlässt gelinde gesagt ein paar Fragezeichen.
Natürlich können es sich die Ölscheichs finanziell leisten, klimatisierte Sportanlagen hinzuklotzen, und offensichtlich will sich das Land, respektive ein paar sehr wohlhabende Männer, mit Sportgrossanlässen für die Zukunft rüsten. Das einstige Fischerdorf kennt keine Grenzen und ihr Grössenwahn wird immer wieder bereitwillig und fast kritiklos unterstützt. Erinnern Sie sich auch an kollaborierende Athletinnen während des Marathonlaufes anlässlich der Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2019 in Doha? Oder auch an fröstelnde Athleten im frostig heruntergekühlten Stadion?
Die Bullenhitze draussen und die herunter gekühlten Stadien waren eine enorme Belastung für die Wettkämpfenden, denn solche Temperaturunterschiede sind für den Körper eine Tortur. Ebenso herausfordernd gestalten sich die Vorbereitungen auf einen Grossanlass der Extreme. Eine nicht minder grosse Absurdität war die Vergabe und die Durchführung der Fussball-Weltmeisterschaft 2022. Auch diese forderte ihren frostigen Tribut - nicht nur auf den unterkühlten Tribünen, sondern vorwiegend aus menschenrechtlicher Sicht. Noch vor dem Anpfiff mussten 6500 Arbeitsmigrantinnen- und ‑migranten laut Amnesty International ihr Leben auf den gefährlichen Baustellen lassen. Die Versprechen um fairere Arbeitsbedingungen blieben mehrheitlich aus. Als Worthülsen entpuppten sich auch die Versprechen, die protzigen, überdimensionierten Stadien rückzubauen und dafür durch ein Spital, ein Bildungszentrum und Einkaufszentrum für die Allgemeinheit zu ersetzen. Auch wurden die mobilen Infrastrukturen nicht an weniger gut betuchte Länder weiter vergeben, wo es an Sportstätten mangelt aber durchaus Fussball gespielt wird. Von Legacy keine Rede. So stehen die Moloche weiterhin unter der gleissenden Sonne in der Wüste und die Welt ist um ein paar Investitionsruinen reicher. Glauben sie, dass Katar Olympische Spiele wirklich verdient hat? Ich nicht. Dezidiert nicht!
Noch vor dem Anpfiff mussten 6'500 Arbeitsmigrantinnen- und ‑migranten laut Amnesty International ihr Leben auf den gefährlichen Baustellen lassen.
Finanziell würde der Ölstaat das problemlos meistern und sicherlich würde auch die unsichere geopolitische Lage heruntergespielt, die übrigens überhaupt nicht zu unterschätzen ist. Schon heute sind die Sicherheitsmassnahmen auf einem sehr hohen Niveau angesiedelt, und das nicht grundlos. Welch ein Zynismus, wenn sich Katar mit Offenheit und Diversität schmückt und über die verbindende Kraft des Sportes sinniert: So soll dieser Brücken zu anderen Kulturen schlagen, junge Menschen inspirieren und gesellschaftliche Potenziale entfalten. Da bleibt noch redlich zu tun, denn
Homosexualität ist in Katar in Einklang mit der traditionellen islamischen Moral verboten und es gibt auch keine rechtliche Anerkennung für gleichgeschlechtliche Ehen. Der katarische Botschafter der Fussball- WM bezeichnete noch vor Kurzem Homosexualität als «geistigen Schaden». Schade, wie einfach diese Worte für die Bewerbung als olympischer Standort ausgesprochen werden und wohl nicht ein Quäntchen Absicht dahintersteckt. Vor der Fussball-WM haben wir die gleiche Rede gehört. Grandiose Absichten, geändert hat sich wenig bis nichts. Katar muss erst einmal Taten zeigen. Ich bin gespannt, ob sich das IOC (International Olympic Committee) blenden lässt oder endlich seine Verantwortung wahrnimmt und die sportlichen Werte gewichtet. Die Wahrung der Menschenrechte ist das Fundament für einen Sport, der auch als Motor zur Friedensförderung dienen kann. Und nun versuche ich bei immer noch heissen 30 Grad Celsius ein paar Bälle hin und herzuschlagen im Sand. Mit dem Vorteil, dass ich im Meer abkühlen kann und nicht leisten muss.