Schweizerischer Tatortverband STV
Der Schweizerische Turnverband (STV) wird gerade arg durchgeschüttelt. Das strapazierte Verhältnis zwischen den rhythmischen Gymnastinnen und ihren Übungsleiterinnen ist einmal mehr in aller Härte eskaliert. Ich stehe fast jeden Tag in der «Halle End der Welt» und trainiere dort verschiedenste Athleten und Athletinnen. Seit vielen Jahren sehe ich Trainerinnen bei den Gymnastinnen kommen und gehen. Geändert hat sich in all dieser Zeit eigentlich nie etwas. Ich kenne die Sportart technisch und methodisch sehr schlecht und es ist mir bewusst, dass internationaler Erfolg ein knallhartes Training erfordert. Die Methoden dazu sind oft befremdlich. Athletinnen und Athleten sowie Trainerinnen und Trainer anderer Sportarten, die sich in den Hallen am «End der Welt» aufhalten, sind ziemlich sprachlos, wenn sie den Trainingsbetrieb der Gymnastinnen in Halle 1 beobachten. Der Umgangston gegenüber den grazilen Mädchen und jungen Frauen ist laut und rau und die Anweisungen forsch. Gelacht wird nie. Das bekannte Motto im Sport «Lernen- lachen-leisten» reduziert sich auf das letzte Paradigma. Wunderschön und federleicht springen die schmalen, muskulösen Athletinnen über den Teppich und ihre Geräte fangen sie präzise in der Luft ab. Ermüdungsbrüche und Essstörungen gehören in das Repertoire der meisten Athletinnen. Eine Sportart der Extreme im physischen und psychischen Bereich.
Persönlich bin ich der Überzeugung, dass der STV endlich Klartext reden muss, was er will. Eine Tatsache ist, dass die Schweizerinnen international chancenlos sind.
Um dem Weltstand zu genügen, müsste noch härter und «unmenschlicher» trainiert werden. Eigentlich lässt dieser geforderte Trainingsbetrieb die Ethik- Charta von Swiss Olympic gar nicht zu. Alle in der Führung des STV wissen es und niemand handelt.
Ein Trainerinnenwechsel ist Symptombekämpfung. Auf nationaler Ebene könnte man eine «Schweizerlösung» finden, bedeutet aber auch, dass nie mehr international angetreten wird. Wer hat den Mut, diese Lanze zu brechen? Nicht genug mit dieser Misere. Waren sie auch verwundert, dass ein renommierter und international erfolgreicher Kunstturntrainer ein halbes Jahr vor den Olympischen Spielen seine Mannschaft verlassen muss? Auch ehemalige Kunstturner der Nationalmannschaft waren überrascht und manifestierten, dass eine stabile Leistung an Grossanlässen ein eingespieltes Team voraussetzt. Trainer und Athleten müssen sich vertrauen; dieses Urvertrauen wird durch einen langjährigen, harten Prozess erarbeitet. Eine unerklärliche, verbandspolitischen Handlung zerstört ein Lebenswerk. Ein funktionierendes Trainer- Athletengespann, das in erster Linie für letztere funktionieren muss. So hat der STV seine sommerlichen Probleme, die er aber dringend lösen muss. Ein Aushängeschild mit grosser Wirkung und Strahlkraft im Schweizer Sport darf nicht den Boden unter den Füssen verlieren. Der grösste polysportive Verband der Schweiz hat unglaublich viel in all den Jahren für den Breitensport und die Bevölkerung geleistet. Seit mehr als 180 Jahren vermittelt er Freude an Sport und Bewegung. Im Spitzensport wurden immer wieder hervorragende Sportlerinnen und Sportler gefördert. Das Ehrenamt ist tief verwurzelt im «Turnverein». Zwar spielen die beiden erwähnten Fällen im Spitzensport die Hauptrolle und nicht im Breitensport und trotzdem tut es dem STV nicht gut. Lesen wir, dass anstelle von zusätzlichen Trainer etwa Verbandsfunktionäre an Grossanlässe gereist sind und akkreditiert worden sind, klingelt bei uns die Gerechtigkeitsglocke sehr laut. Auch Trainer möchten Wertschätzung und im Spitzensport ist das eben auch eine Partizipation am Grossanlass, an einer Weltmeisterschaft oder gar an Olympischen Spielen. Ein paar wenige Trainer haben sich jahrelang mit ihren Athleten auf genau diesen einen Anlass vorbereitet; die Kirsche auf der Torte stiebiezt dann aber ein Verbandsfunktionär. Autsch!