Bundeshausgeflüster #29

Kurz vor den Sommerferien durfte ich zwei eindrückliche Tage im Kosovo erleben. Wieso mich ein paar Murmeln aus der Fassung gebracht haben und was die Carabinieri in schicker Uniform im Kosovo treiben, erzähle ich dir gleich.
Vor Ort bei Swisscoy
Bundesrat Martin Pfister ist mit unserer kleinen Delegation in den Kosovo gereist, um sich ein Bild der aktuellen Lage zu machen und gleichzeitig die Swisscoy Truppen zu besuchen.
Bei fast 40 Grad Celsius betraten wir den staubigen Boden in Pristina und wurden von einer Delegation von Swisscoy empfangen. Handys mussten im Flugmodus gehalten werden, da wir abgehört werden könnten und Fotos durften in den militärischen Anlagen nicht geschossen werden. Zu heikel. Das ehemals kriegsgeplagte Land, welches die Schweiz übrigens seit 2008 als unabhängig anerkannt hat, profitiert von wichtigen friedensfördernden Massnahmen von uns.
Wie engagiert sich Swisscoy:
- Die Schweizer Armee beteiligt sich seit 1999 mit der Swisscoy an der internationalen friedensfördernden Mission KFOR der NATO. Dieses militärische Engagement basiert auf der Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrats
- Sicherstellung eines sicheren und stabilen Umfelds sowie Aufrechterhaltung der Bewegungsfreiheit aller Menschen im Kosovo
- Soldaten und Soldatinnen sind im Einsatz im Geniebereich oder als Stabsoffiziere auf Stufe der regionalen Kommandos
- Medizinische Versorgung
- Strassen- und Lufttransporte und Kampfmittelbeseitigung
Wenn Kindheit im Krieg stirbt

Nebst dem Truppenbesuch haben wir auch das Archiv in Pristina besichtigt, welches den getöteten Kindern im Kosovo- Krieg gewidmet ist. Ich war zutiefst erschüttert. Eine weisse Wand mit über 1000 Kindernamen: Gefallene, Getötete, Ermordete.
Es sind Ejup, Arta, Berat, Blerta und viele mehr. Die Tränen liefen bei mir spätestens, als ich einen Blick in die Vitrinen mit ausgestellten Kinderpullis, einem Fahrrad, Puppen und anderen Spielzeugen erhaschte. Der Anblick des FC Bayern München- Rucksack schnürte mir die Kehle zu. Es könnte auch der Rucksack meiner Kinder sein...
Und nun zu den Murmeln. Wer kennt sie nicht, die farbigen Glaskugeln? Sie zaubern den Kindern ein Lächeln ins Gesicht. In diesem Fall stehen sie für Hilflosigkeit, Tragik, Kindermord und Kriegsverbrechen, und darum erzähle ich diese traurige und widerliche Geschichte.

Diese Murmeln lagen auf dem Boden als der Vater seine getötete Familie auffand; seine Ehefrau und seine Kinder- Niemand hat überlebt. Die Murmeln seines fünfjährigen Sohnes hat er im Hosensack der Kinderleiche gefunden. Die Murmeln waren ein Geschenk vom Vater.
«Es war einmal, nie wieder!»
Der fast schon ironische Titel der Gedenkausstellung brennt sich in unsere Köpfe ein. Gleichzeitig denke ich an den Ukrainekrieg, an all die anderen Kriege in unserer Welt und frage mich: Wieso — wieso zerstören wir uns selbst?
Zwischen Friedenseinsatz und Kriegsnarben
Viele Eindrücke durften wir mit nach Hause nehmen. Mir sind natürlich die Trainingsstätten aufgefallen. Viele Nationen verpflichten ihre Soldaten zu regelmässigem Training. So wie hier in der «NATO- Muckibude».

Die bekannte Brücke von Mitrovica über die Ibar (serbisch) teilt die Stadt in einen serbischen und einen albanischen Teil. Diese Brücke ist ein Symbol für die ethnische Teilung und die Spannungen zwischen Serben und Albanern im Kosovo. Sie wird auch als "Brücke der Feindschaft" bezeichnet. Bewacht wird sie von den italienischen Carabinieri und sie darf nicht befahren werden.

Wir haben der bosnischen Stadt Sarajevo ebenfalls einen Besuch abgestattet. Die Olympischen Ringeprangen überall, aber auch die Einschlaglöcher der Bomben am Boden. Diese sind blutrot eingefärbt und nennen sich die Rosen von Sarajevo.
Die Schweizer Delegation war an den Olympischen Spielen 1984 in Sarajevo erfolgreich: So glänzten im Ski Alpin Michaela Figini und Maria Walliser mit Gold und Silber. Max Julen schnappte sich Gold und im Viererbob gab es eine Bronzemedaille.

Nur ein paar Jahre später wurde die Stadt von serbischen Streitkräften eingekesselt unter Beschuss genommen, was zu grossem Leid für die Bevölkerung führte. 1995 flogen Jets von acht Nato-Partnerstaaten insgesamt 3515 Einsätze; dabei warfen sie 1026 Bomben auf 338 einzelne Ziele im gesamten serbisch kontrollierten Teil Bosniens. 69 Prozent der eingesetzten Waffen waren präzisionsgelenkt und trafen fast ausnahmslos. Der Krieg forderte über 11 000 Tote, mehrere Zehntausend Verletzte, Vertriebene, Traumatisierte und eine praktisch unbewohnbare Stadt. Die Belagerung endete erst mit dem Dayton-Abkommen, das den Bosnienkrieg beendete.

Die Belagerung von Sarajevo gilt als eine der dunkelsten Episoden der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts und als Beispiel für die Brutalität ethnischer Konflikte.
Beim Besuch der EUFOR ALTHEA hat mir ein Diplomat erzählt, dass damals die Kinder in der Schule über Landminen unterrichtet worden sind. Die Minen wurden leider auch auf Schularealen verlegt....
Ich brauchte etwas Zeit, um über diesen Besuch zu schreiben, wollte euch aber diesen nicht vorenthalten. Es ist wichtig, dass wir nicht vergessen.
Der Einsatz der Schweizer Armee in diesen Gebieten ist zentral und gehört finanziert. Diese Einsätze sind erfolgreich und dienen der Friedensförderung.
Das steht an:
- SIK-Sitzungen
- Herbstsession
...Lasst uns gemeinsam die Gelder für J+S sichern! (Du hörst von mir)
Und wie immer: noch das Geflüster
Das Lieblingsgetränk unserer Swisscoytruppen im sommerlich heissen Balkan ist Coke Zero. Rivella konnte ich nicht finden ;)