Zwischen Beruf und Berufung
Ich bin Trainerin, liebe Leserinnen und Leser. Für einige von euch ist das eine ganz normale Feststellung, möglicherweise völlig uninteressant. Andere fragen sich vielleicht, was genau ich mache. Die meisten gehen selbstverständlich davon aus, dass ich am Abend ein paar Trainings leite - mehr oder weniger leistungsorientiert: quasi ein etwas intensiveres Hobby. Wie die meisten Trainer:innen habe ich meine Erfahrungen im Jugendsportbereich gesammelt und dort meine Sporen abverdient.
Heute ist meine Leidenschaft mein Beruf und ich verdiene als Trainerin im Spitzensport mein Geld.
Die meisten meiner Athleten gehören der Herrennationalmannschaft von Swiss Ice Hockey an. Für die Spieler ist es völlig normal, dass eine Frau ihre Athletiktrainerin ist; ausgewiesene Fachperson mit Erfahrung. Ironischerweise geht meine Generation anders mit dieser Tatsache um. Erwähne ich in einem Gespräch, dass ich im Spitzensport mit Athleten tätig bin, kommt sofort die Feststellung: «Ah, du bist Masseurin». Eine Frau, die Männern sagt, was sie zu tun haben scheint unvorstellbar. Nur ist es so, dass ich meine Athleten nicht direktiv zu Übungen verdonnere. Es ist eben eine Zusammenarbeit. Ein Mann würde das nicht anders machen. Es ist Charakterfrage, wie man mit den Athleten und den Athletinnen umgeht. Ich nehme das mit Humor und kläre auf.
Feminismus und Genderdebatte müssen im Sport Platz haben, dürfen meiner Meinung nach aber nicht zu Verbissenheit führen. Viel wichtiger ist, dass die Qualität über eine Anstellung als Trainer:in in den Vordergrund rückt.
Problematisch ist leider, dass nach wie vor meist Männer über Anstellungen entscheiden und Männer wählen erwiesenermassen auf dem höchsten Leistungsniveau wieder Männer aus. Wohl weil sie selber nichts anderes erlebt haben. Ich bin vorsichtig zuversichtlich, dass sich dieses Verhalten ändern wird. Abhilfe könnte eine offizielle Stellenausschreibung mit klarem Profil verschaffen. Frauen und Männer bewerben sich und es gibt viele fähige und gut ausgebildete Frauen, die ihre Chancen kriegen werden. Je höher das Niveau im Sport, desto niedriger der Frauenanteil. Im Männersport sind Frauen quasi noch inexistent. Das Berufsbild «Trainer:in» ist nicht gut verankert in der Gesellschaft und viele falsche Vorstellungen geistern herum. Die wenigsten Coaches können ausschliesslich vom «Trainerleben» ihre Existenz sichern und sind gezwungen, einer weiteren beruflichen Tätigkeit nachzugehen. In der Schweiz haben wir mit den Gefässen von Jugend und Sport und der Trainerbildung hervorragende Ausbildungsmöglichkeiten. Mit dem Abschluss der höheren Fachprüfung Spitzensport (HFP) sind die Coaches offiziell befähigt, ihren Beruf auszuüben, sofern sie dann angestellt werden. «Trainer: in» ist mit der Fachprüfung in der Berufswelt legitimiert. Der Titel «Trainer:in» oder «Coach» ist zwar nicht geschützt und grundsätzlich ist es möglich, auch ohne spezifische Ausbildung oder Erfahrung Athlet:innen zu trainieren. Umso wichtiger ist, dass unser Berufsbild gestärkt wird und die Sportverbände und die Sportpolitik ihre Verantwortungen wahrnehmen und ausgebildete Fachkräfte ins Boot holen. Es ist nämlich nicht so, dass Superverdiener aus dem Fussball oder Eishockey unseren Beruf prägen und noch viel weniger stimmt es, dass unmenschliche Trainingsmethoden an der Tagesordnung sind. Wir haben genug vom angeschlagenen Image unseres Berufes. Die Mehrheit verfügt über eine langjährige, solide Ausbildung und setzt sich überdurchschnittlich für ihre Leidenschaft «von der Berufung zum Beruf» ein. Als Trainer:in musst du verschiedene Rollen beherrschen und diese gezielt einsetzen. Du bist beratend unterwegs, du coachst im Training oder in einem ganz anderen Setting im Wettkampf, du solltest öfters die Leadrolle übernehmen und es ist wichtig ein leistungsförderndes und wertschätzendes Trainingsumfeld zu installieren.
Ein Coach im Spitzensport verknüpft praktische und pädagogische Arbeit während des Trainings oder auch während des Wettkämpfs. Damit die Athleten und Athletinnen sportliche Höchstleistungen erzielen können, braucht es auch Persönlichkeitsentwicklung; so sind Umgang mit Sieg oder Niederlage, Leistung punktgenau abzuliefern, emotionaler Druck, etc. alles Inhalte, die gelernt sein müssen. Sportlicher Erfolg steht im Spitzensport an oberster Stelle und ist erklärtes Ziel. Als Trainerin stehe ich mitunter in der Verantwortung, dass meine Athleten und Athletinnen physisch und psychisch gesund bleiben. Diese Gratwanderung gilt es zusammen zu bewältigen und braucht viel Vertrauen. Ich bin Begleiterin während einer gewissen Zeit und möchte meine Athleten und Athletinnen befähigen, selber wichtige Entscheide zu fällen und Verantwortung zu übernehmen. Dieser Beruf strotzt nicht unbedingt vor Sicherheit und ist oft familienuntauglich, gerade für Frauen. Für uns Frauen ist es sehr schwierig an der Spitze arbeiten zu können und Honorarverträge sind keine Lösung. Von Festanstellungen mit den gebührenden Sozialleistungen können wir nur träumen. Es braucht einen gewaltigen Effort, um diesen Mangel zu beheben. Vielen gängigen Berufen wird der Rücken von gut verankerten Berufsverbänden und etablierten Gewerkschaften gestärkt. Unser Beruf ist für viele nicht greifbar und darum schwierig einzuordnen. Wir haben uns vor einigen Jahren organisiert und unser Berufsverband «Swiss Coach» soll uns zukünftig vertreten und unsere legitimen Anliegen aufnehmen. Wir wollen nicht nur Wertschätzung, sondern auch faire Arbeitsbedingungen, welche uns zustehen. «Trainer:in» im Leistungs- und Spitzensport ist nicht ein Hobby, sondern ein Beruf. Für mich der allerschönste Beruf und auch meine Berufung.
Mit einer kleinen Anekdote aus dem Trainerinnenleben von Imke Wübbenhorst (ehemalige Trainerin bei der Oberliga Niedersachsen), die neu bei den YB-Frauen als Coach wirken wird, schliesse ich meinen Beitrag.
Auf eine chauvinistische Frage eines Journalisten, ob sie denn als Trainerin die Männergarderobe mit einer Warnsirene betritt, hatte sie eine noch sexistischere Antwort auf Lager: «Natürlich nicht. Ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlänge auf».
Eine ihrer zentralsten Forderungen ist übrigens, dass man nach Qualität und nicht nach Geschlecht einstellt.