Stinkt der Sport zum Himmel?

Erinnern sie sich an den typischen Geruch beim Betreten einer Turnhalle? Er ist irgendwie in allen Hallen ähnlich; er kommt einem bekannt und vertraut vor und bei den meisten tauchen Erinnerungen aus dem Schulsport oder dem Training auf. Gebohnerte Böden, in der Luft schwelgen noch ein paar salzige Dunstschleier. Auch der Duft des kühlen Geräteraumes, die holzige Sprossenwand oder der feuchte, frischgemähte Rasenplatz lassen Emotionen aufkommen. Ich bin besonders von der sonnengewärmten „Tartanbahn“ angetan. Andere lieben den unverwechselbaren Geruch einer Eisbahn oder einer Eishockeygarderobe. Einige wissen auch, wie schal das mit Magnesia verkrustete Eisen der Langhantel riecht. Ich mag den Sport enorm gerne riechen und verbinde sehr viele positive Emotionen mit seinem „Stallgeruch“. Leider hat dieser romantische Wohlgeruch des Sportes in letzter Zeit eher einer stinkenden Kloake Platz machen müssen. Täglich lesen wir von Betrug, Gewalt oder von physischem und psychischem Missbrauch an Athletinnen und Athleten. Mit der Mediatisierung solcher Ereignisse und der schnellen, leider oft auch undifferenzierten Verbreitung auf den sozialen Medien, ist der Druck auf die Politik gross geworden handeln zu müssen; eine unabhängige Meldestelle ist erschaffen worden. Diese soll den Missständen im Sport Beine machen. Selbstverständlich stehe ich hinter der agierenden Ombudsstelle und verurteile jedes Vergehen auf’s Schärfste. Es ärgert mich aber, dass der Sport und vorwiegend Trainerinnen und Trainer von zahlreichen Medien alle in einen Topf geworfen werden. Ja, der Sport hat sein Fett abbekommen und ist in seiner ganzen Breite durch den Dreck gezogen worden. Jeder Skandal ist boulevardmässig ausgeleuchtet worden - mit wenigen Ausnahmen sehr einseitig und stigmatisierend. Wer aber hat über den Breitensport gesprochen, wo zahlreiche Trainerinnen und Trainer während Stunden regelmässig und ehrenamtlich im Einsatz stehen und Jugendlichen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Kinder und Erwachsene dürfen lernen, lachen und leisten. Eine unbezahlbare Lebensschule, gestaltet und animiert von mehrheitlich ausgebildeten Jugend- und Sport-Leiterinnen und -Leitern. Sie versuchen nach bestem Wissen und Gewissen ihren Schützlingen den Sport näher zu bringen. Ich bin überzeugt, dass unsere Sportcoaches mehrheitlich einen ehrenhaften Job leisten. Nur über diesen Sachverhalt verliert kein Medium ein Wort und auch die Politik scheint geblendet von der negativen Seite des Sportes. So stehen die faulen Eier, die wirklich aus dem Verkehr gezogen werden müssen, stellvertretend für uns Trainerinnen und Trainer. Wie schon öfters erwähnt, zeichnet der Sport ein Abbild der Gesellschaft. Er ist nicht moralischer oder verwerflicher als die Gesamtheit der Gesellschaft. Selber bin ich als Trainerin im Leistungs- und Spitzensport tätig und ich fühle mich betroffen; ich muss mir heute unterschwellig vorwerfen lassen, dass im Spitzensport nur betrogen, gedopt oder Missbrauch an Athletinnen und Athleten vollzogen werden. Meine männlichen Trainerkollegen müssen sich heute überlegen, überhaupt noch Frauen oder Mädchen trainieren zu wollen. Die „Schublade Trainer“ ist negativ besetzt. Es gibt inakzeptable Verfehlungen im Leistungs- und Spitzensport in der Schweiz, wie in zahlreichen Bereichen und Berufsfeldern auch. Ich wünsche mir sehr, dass diese Verfehlungen strengstens sanktioniert werden. Aber ich hoffe auch, dass ethisch moralisch verfehltes Verhalten gegenüber Trainerinnen und Trainern zukünftig geahndet wird und dass wir ähnliche Angebote nutzen können, um uns zu schützen. Gleiches Recht für alle und ich begrüsse alle Diskussionen, die helfen den Sport fairer zu gestalten. In den Ausbildungen sind wir in der Pflicht das Thema „Ethik im Sport“ nicht lediglich in 90 Minuten abzuhandeln. Das können wir besser. Für mich persönlich stinkt der Sport nicht zum Himmel und ich fühle mich privilegiert, wenn ich in der wohlriechenden Halle stehen darf oder dem Lärm von aufschlagenden Gewichten lauschen kann. Zu guter Letzt: “Vergessen wir nicht, dass hinter jeder Sportlerin und jedem Sportler Trainerinnen oder Trainer stehen, die in den allermeisten Fällen mit bestem Wissen und Gewissen handeln. Edelmetall an Olympischen Spielen gewinnen ist höchst herausfordernd und ein Balanceakt auf Messers Schneide in allen Belangen“.