Schafft den Sporttag nicht ab!

Sicher erinnern sie sich an ihre Schulzeit und auch den Sporttag. Meist hat dieser im Sommer stattgefunden. In Adelboden übten wir im Schulturnen rechtzeitig immer die leichtathletischen Disziplinen und natürlich wollten wir auch für das Handballturnier bereit sein. Den Kilometerlauf verabscheuten wir alle, aber da bissen wir uns mit hochroten Köpfen und brennenden Lungen durch. Am Tagesende waren wir stolz, etwas geleistet zu haben und haben viel gelacht, wett geifert und auch gelernt.

Aber wieso berichte ich über vergangene Zeiten?

Ganz ordentlich verblüfft war ich kürzlich, als mir ein Kollege erzählte, dass in einer Schule aus der Region der Turntag mit Leichtathletik gestrichen worden ist, da das «Messen» diskriminierend wirke. Anscheinend haben sich im Vorfeld einige Schülerinnen und Schüler über diesen Missstand beschwert und so wurde der Sporttag in einen Halbtag mit verschiedenen Bewegungsspielen umgewandelt. Erstaunlicherweise fungiert der Nachmittag dann gleich als schulfreie Zeit- also noch weniger Sport und Bewegung.

Es ist mir ein Rätsel, wieso wir unsere Kinder und Jugendlichen nicht einmal im Jahr einer sportlichen Herausforderung stellen wollen. Weil nicht alle gewinnen oder es vielleicht auch «schwächere Leistungen» gibt? Diese Frage scheint sich bei Fächern wie Mathematik, Sprachen, etc. nicht zu stellen. Eifrig wird bewertet und selektioniert; der oft herrschende Leistungsdruck während des ganzen Schuljahres ist normal und ist meist akzeptiert. 

Ich bin sicher, dass es nicht nur Gewinnerinnen und Gewinner gibt und das Vorlesen in der Klasse auch nicht allen Spass macht und die Matheblitze feuchte Hände hervorrufen. Diesen Herausforderungen müssen sich alle stellen und das ist auch richtig so. Die Frage stellt sich doch viel mehr, wie die Lehrkräfte für die Mehrheit einen Sporttag organisieren, der Begeisterung auslöst und positive Erlebnisse ermöglicht. Grundsätzlich leisten Kinder und Jugendliche gerne, so schwierig wäre es eigentlich nicht. Ein Sporttag muss nicht zwingend über Einzelleistungen definiert werden. Teamwertungen sind eine sehr geeignete Form, wo jeder und jede im Team so viele Punkte wie möglich für die Gruppe sammelt. Starke Einzelleistungen könnten zusätzlich honoriert werden. Der Widerspruch ist, dass wir uns über Bewegungsmangel beklagen, aber diese bei jeder Gelegenheit verhindern und beschneiden, da allen Unannehmlichkeiten aus dem Weg gegangen wird. Zwischen dem 6. und 16. Lebensjahr verbringen die Kinder und Jugendliche 90 % ihrer Zeit inaktiv; nämlich sitzend in der Schule, im Bus oder liegend im Bett (SOPHYA-Studie, Swiss children’s Objectively measured PHYsical Activity. 2022).

Doch gerade das frühe Schulalter ist bestens geeignet, um die motorischen Fertigkeiten von Kindern zu fördern. Nicht umsonst wird diese Phase als «goldenes Lernalter» bezeichnet.  

Die Schule darf es nicht verpassen, genügend Bewegung sicherzustellen. Dazu gehören der obligatorische Schulsport, der freiwillige Schulsport, aber auch Spiele auf dem Pausenplatz und bewegter Unterricht. Der Mensch ist nicht für 8.5 Stunden sitzen geschaffen. Tatsächlich haben sich die Haltungsschäden bei Kindern in den letzten 20 Jahren verdoppelt und daran ist nicht der schwere Schulranzen schuld, sondern das elendiglich lange Sitzen. Kinder sitzen länger als Erwachsene und müssten eigentlich deutlich mehr bewegen. Unsere gesellschaftliche Entwicklung handelt diametral entgegen den Bewegungsempfehlungen - Digitalisierung, Automatisierung «vereinfachen» unser Leben. Wir müssen nicht einmal mehr aufstehen, um den Lichtschalter zu bedienen. Kurze, unterstützte Wege rauben uns die letzte, alltägliche Bewegung.

Wie wäre es, wenn die Schulen täglich Sport einführen würden?

Für alle Kinder und Jugendlichen wäre diese wertvolle Bewegungszeit einfach normal. Nicht alle haben Zugang zu Sportvereinen oder anderen, ausserschulischen Bewegungsangeboten. Das hängt oft mit dem Bewegungsverhalten oder dem sozialen Umfeld der Eltern zusammen. Ich weiss, dass ich mit dieser Debatte die Büchse der Pandora öffne und trotzdem müssen wir diese Debatte bald einmal führen, um unsere physische und psychische Gesundheit nicht total an die Wand zu fahren. 

Studien dazu gibt es zur Genüge - wir müssen handeln. Umso mehr mein Appell an die Schulen, weiterhin den wertvollen Sporttag beizubehalten, Schneesportlager durchzuführen, in den Wald zu gehen und vieles mehr. Nebst der physischen Entwicklung wird die Persönlichkeitsentwicklung gefördert und ein gesundes Lernklima bekommt Einzug. Am 21. Mai 2025 hat der Ministerrat der Bundesregierung von Österreich die Verlängerung und den weiteren Ausbau der täglichen Bewegungseinheit in Kindergärten und Schulen beschlossen.

Mit einem klaren Bekenntnis zur Gesundheitsförderung ist uns unser Nachbar deutlich voraus. Wann will die Schweiz reagieren? Etwas Mut täte uns gut.