Kam-sah-siegte!

Wir sind wieder Skination, liebe Leserinnen und Leser. Der Medaillenspiegel im italienischen Cortina d’ Ampezzo ist auf neun Stück angestiegen und wir sind wieder eine ernstzunehmende und vom Gegner respektierte Skination. Die Schweizerinnen zeigten schon während der ganzen Saison ihre Fähigkeiten. Regelmässig standen unsere Athletinnen auf dem Podest. Zwar konnten potentielle Medaillenanwärterinnen wie Michelle Gisin an den aktuellen Weltmeisterschaften bis jetzt ihrer Form nicht gerecht werden, dafür ist eine auf dem Gipfel des Triumphes angekommen. Lara Gut-Behrami brilliert doppelt goldig. Letztlich zählen an Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen nur Siege. Davon hat Lara gleich zwei gebunkert. Sie selber weiss, dass Silber und Bronze sekundär sind und alle anderen, immer noch herausragenden Leistungen versinken noch im selben Jahr in tiefster Vergessenheit. Das ist nicht despektierlich gemeint aber Hand auf’s Herz: Wer kann von ihnen die SilbermedaillengewinnerInnen der letzten Ski-WM aufzählen? Die brillante Skifahrerin mit dem mutigen Gefühl für Kurven hat so richtig deftig abgeliefert. Gerade mit dem eher unerwarteten Gewinn der Riesenslalommedaille hat sie ihre Exzellenz manifestiert und endlich auch ihren Emotionen freien Lauf gelassen; sie hat bestätigt, was für eine herausragende und einzigartige Sportlerin sie ist. Brava, Lara! Ihr Jubel im Zielhang war ein Gänsehautmoment und für sie wohl ein Befreiungsschrei. Michi Bont, ehemaliger Ski-Kommentator beim Schweizer Fernseher und grosser Kenner des alpinen Skisports, hat mir erörtert, wieso für ihn der Riesenslalom die Königsdisziplin ist. Riesenslalomschwünge beherrschen sei eine Kernkompetenz, die sehr viele technische anspruchsvolle Elemente beinhaltet. Die richtige Dosierung zwischen dem schneiden oder driften einer Kurve zu finden, brauche eine sensible Feinmotorik. Lara Gut-Behrami pilotiert ihre Skis. Die «Grinta» (ital. Kampfgeist, Entschlossenheit) auch im zweiten Lauf an der Grenze des Möglichen runterzubringen, bestätigt ihre Klasse. Umso mehr glänzt die zweite Medaille von Lara Gut. Dass die Tessinerin schwierige Hänge im Griff hat, wissen wir von früher. Ihre letzten Durststrecken waren aber happig und oft fiel sie in den letzten Jahren durch ihr provokatives Verhalten gegenüber Organisatoren, Mitstreiterinnen und Trainern auf. So mutierte sie vom «Star der Nation» zur Zicke Nummer 1; auch weil sie Spezialbehandlungen von Swiss Ski forderte und ihr Ding mit dem «Team Gut» durchgezogen hat. Die einst so fröhliche, quirlige Sportlerin wurde älter und hielt dem Druck kaum mehr stand und als junge Frau und Person der Öffentlichkeit, waren ihr mediales Auftreten und ihre Angriffe auf fast alles und alle nicht mehr genehm. Persönlich finde ich, dass Lara Gut-Behrami oft auch mutig war und eben gesagt hat, was andere denken. Es ist auch nicht an uns allen eine junge Frau, die wir nur aus den Medien kennen, zu beurteilen und zu kritisieren. Man muss sie nicht mögen aber ihr attestieren, dass sie eine hervorragende Spitzensportlerin ist und dass hinter ihrer «Grossmäuligkeit» mehr als Arroganz steckt. Die einst trotzige Lara Gut, zeigt immer öfters auch ihren weichen Kern und sagt selber, dass sie in den letzten beiden Jahren an ihren Fehlern gewachsen ist. Manchmal tut es mir Leid, dass sie ihre Unbeschwertheit und ihren Schalk am Start verloren hat. Der Sport lebt von Persönlichkeiten, Ecken und Kanten. Beim «eisernen Karl Frehsner» hat sich Gut-Behrami anscheinend eingefügt. Frehsner meint zum Phänomen Lara: «Auf jeden Fall hat sie mit mir immer sehr gut zusammengearbeitet, obwohl ich ja ein schwieriger Typ bin. Und wenn Lara mit mir zusammenarbeiten kann, kann sie es mit allen anderen Menschen auch.» Viele ihrer Mitstreiterinnen mögen sie nach wie vor nicht sonderlich und das ist auch nicht nötig oder schockierend. Schliesslich sind es Konkurrentinnen und auf diesem Niveau entscheiden Kleinigkeiten. Den Respekt aber hat sie sich verdient. In der Zwischenzeit haben die meisten Athletinnen auch ihre private Entourage und organisieren sich mit dem Verband. Freuen wir uns über die Erfolgsgeschichten unserer starken Damen. Dazu noch eine kleine Anekdote von Frau Gut-Behrami: «Wir sind Frauen! Wird aber über uns geredet, heisst es: Ja, ja, die Mädchen. Ich glaube, bei den Männern käme es auch nicht gut an, würde sie jemand Buben nennen.»